Vor sehr vielen Jahren habe ich schon ganz zu Beginn meiner Ausbildung in Psychologischer Astrologie von unbefriedigten Kindheitsbedürfnissen gelernt und wie sich diese Defizite ins Erwachsenenleben mit hineinschummeln und uns da und dort das Leben schwerer als nötig machen. Damals hatte ich zwar nicht vor, den Selbstversuch mit diesem Wissen anzutreten, doch das Leben spielt ja oft ganz anders als man denkt …

 

Als dann meine Tochter 2001 zur Welt kam, hatte ich aber dann doch – gleich von Geburt an – Gelegenheit dazu. Sie war ein unruhiges Baby, das jegliches Plastik vom Start weg ablehnte: Kein Schnuller, kein Fläschchen. Ich stillte sie und nahm mir vor, das so lange zu tun, bis ihr Bedürfnis nach Stillen gestillt war. Es dauerte zweieindreiviertel Jahre und ich dachte damals, der Tag, an dem sie endlich genug hatte, würde gar nicht mehr kommen. Anfangs war Stillen natürlich mega-praktisch, aber mit den Jahren nagte meine Geduld ordentlich an diesem ehrgeizigen Vorsatz, auch wenn das Stillbedürfnis mit den Jahren nur mehr in einzelnen Momenten und zum Einschlafen von Madame gewünscht war. Und eines Tages, völlig unvorbereitet und unvermutet – das Aus!

 

lilly-laura

 

Was ich bemerke: Sie liebt von ganz klein an Gemüse, Salate und Obst. Ihr Bedürfnis nach Süßigkeiten ist relativ gering. Ganz im Gegensatz zu mir selbst, kann sie von einer Tafel Schokolade auch nur ein Stückchen essen und den Rest dann einfach vergessen.

 

Von Geburt an schlief meine Tochter in unserem Ehebett. Anfangs, weil es mit dem nächtlichen Stillen so einfach war und weil es uns – bis auf die Stillunterbrechungen – einigermaßen ruhige Nächte bescherte. Kein Aufspringen mitten in der Nacht, ins Kinderzimmer rennen, das Kind dort beruhigen, so lange bis man schlussendlich selbst putzmunter ist mitten in der Nacht – das wollten wir uns sparen. Und irgendwann wäre dann schon der richtige Zeitpunkt, unsere Tochter an ihr eigenes Bettchen zu gewöhnen. Dass es eine ganze Dekade an Jahren dauern würde, hätten wir natürlich damals nicht im Traum erwartet. Schließlich wurde es mit zunehmendem Wachstum auch zunehmend ungemütlicher in unserem Bett. Zum Glück bewies auch Papi starke Nerven und trug meinen Vorsatz, kindliche Bedürfnisse zu Ende zu befriedigen, tapfer mit. Und eines Tages, völlig unvorbereitet und unvermutet – das Aus!

lauraoma

 

Was ich bemerke: Sie ist sehr selbstsicher im Umgang mit ihren Freunden und Schulkollegen und völlig unabhängig. Sie lässt sich emotional nicht erpressen und widersteht geradezu mit Stolz jeglichem Gruppenzwang, beispielsweise beim Rauchen oder bei Alkohol. „Trink doch auch einen Schluck.“ Nein. „Warum nicht.“ „Weil ich nicht mag.“ Mehr Erklärung oder gar Rechtfertigung braucht sie nicht. Wow!

Dass unsere Tochter sich weit länger als zehn Jahre weigerte, vor allem abends ein paar Stunden alleine zu bleiben, war im Grunde die leichteste Übung, wenngleich sie uns oft organisatorische Meisterleistungen abverlangte. Auch hierbei war unsere Überraschung groß, als sie eines Tages verlautbarte, dass wir ruhig noch ausgehen könnten, wenn wir wollten. Sie hätte jetzt nämlich keine Angst mehr, alleine zu bleiben. Unsere Freude war groß, obwohl wir uns eigentlich schon an ein abendliches Leben mit Kind gewöhnt hatten und anfangs die neu gewonnene Freiheit gar nicht auszukosten wussten.

Die Früchte unseres Durchhaltevermögens ernteten wir bei sechstägigen Projektwochen und Schulschikursen, die unsere Tochter bravourös und ohne Heimweh meisterte. Ein längeres Wegbleiben – etwa in den Sommerferien – lehnte sie allerdings ab, vor allem wegen der fremden Kinder, mit denen sie dort zusammentreffen würde und die sie offenbar unsicher machten. Auch die Schulwechsel – von der Volksschule ins Gymnasium und vom Gymnasium in die HAK – bereiteten ihr einen Sommer lang zumindest Kopf- und Bauchschmerzen.

Was ich bemerke: Heute hat unsere ehemals so ängstliche Tochter ein Faible für spannende Thriller und liebt die Vampir-Serien, auch Horrorfilme zu Halloween mit ihren Freundinnen sind kein Problem für sie 🙂

Umso größer war unsere Überraschung, als unsere Tochter kürzlich aus heiterem Himmel verlautbarte, dass sie im kommenden Jahr ein Auslandssemester in Kanada anstrebt. Sie hatte bereits mit ihren Lehrern gesprochen, welchen Support die Schule dazu liefert und was bei diesem Vorhaben zu beachten war. Wir waren wie vom Blitz getroffen! Bislang war unsere Tochter mit Solo-Reisen mehr als zurückhaltend und nahm nicht mal das Angebot der Oma an, sie in den Ferien doch auf Fuerteventura zu besuchen, weil sie da ja alleine fliegen hätte müssen. Um ihr die Möglichkeit zu geben, sich erst einmal in einer Soft-Variante auszuprobieren, haben wir fürs Erste einen Ferienaufenthalt vorgeschlagen.

 

laura

 

Mit Hilfe von sehr lieben Freunden ergatterten wir noch einen Stornoplatz bei CISV – drei Wochen in einem englischsprachigen Camp in Madrid! Die Challenge: Kein Handy, kein iPod, kein Tablet – drei Wochen kein Kontakt mit daheim! Ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet, dass das für Sie K.O.-Kriterien waren, doch unsere Tochter blieb weiterhin in freudiger Erwartung auf dieses Abenteuer. Gestern lernte sie ihre Betreuerin und die drei mitreisenden Mädchen aus Österreich bei einem ersten Meeting in Linz kennen. Verstohlen beobachtete ich sie – keine Schüchternheit, keine Verlegenheit – lächelnd ging sie auf die fremden Mädels zu und als wir sie nach zwei Stunden wieder abholten, war sie noch ein Stückchen mehr begeistert als davor.

Unsere Tochter spreizt nun also ihre Flügel … ein wundervolles Gefühl!

Fotos: Lilly Dippold / ilif_ilane, Fotolia