Ja, unverhofft kommt oft … bei mir war’s am 6. Oktober soweit.

 

Wer nach einem ausgedehnten Spaziergang mit einem nimmermüden Junghund ein Schwätzchen mit der Nachbarsfrau hält und den Jungspund aus den Augen verliert, der muss eben damit rechnen, dass Unvorhergesehenes passiert. Vor allem dann, wenn sich am Firmament grade Uranus und Pluto die Hand über dem eigenen Aszendenten schütteln und Mars noch ein Schärflein drauflegt. In meinem Fall hat das bedeutet, dass Spencer abrupt einen Satz in Richtung Maus (?) die Böschung hinunter machte und mein Oberkörper hinterher segelte, während meine Füße in den nagelneuen Outdoorschuhen (erster Ausgang!) aber hartnäckig am Boden pickengeblieben sind. Fazit: doppelter Knöchelbruch!

Grade bin ich noch mit unserem Spencer über die herbstlichen Felder lustwandelt und plötzlich lag ich schmerzverzerrt und heulend im Graben, auf (die) Rettung wartend. Noch vor Mitternacht hat man mir meine Knochen wieder liebevoll zusammengeschraubt und ge-plattet und mir (erfreulicherweise nur) einen Gips bis zum Knie verpasst. So konnte ich mich zwei Tage später schon daheim mit Krücken beweisen. Natürlich … lustig war das alles nicht, aber andererseits: Schlimmer geht immer! Schließlich hätte ich mir bei meinem Sturz statt des Knöchels auch das rechte Handgelenk brechen können! So aber konnte ich wenigstens meine Arbeit tun, erst halb liegend am Laptop, später auch schon wieder am Schreibtisch. Und Demut und Dankbarkeit üben 😉  

 

Lernaufgaben am laufenden Band

Wenn’s einen so wie mich erwischt, gibt’s allerlei zu lernen. Neben so banalen Dingen wie das Erklimmen der Stiege mit Gipsfuß ins Obergeschoß (geht auf dem Popo am besten), habe ich beispielsweise auch gelernt, um etwas zu bitten. Phu … Gelegenheiten gab’s dazu en masse, da könnt Ihr gerne bei meinem lieben Mann nachfragen. „Kannst du mir bitte einen Kaffee bringen“ (geht schließlich ganz schlecht mit zwei Krücken in Händen), „kannst du mir bitte den Eisbeutel bringen“, „kannst du mir bitte die Krücken rauftragen“, „und runter auch“ … Jemand der jahrzehntelang völlig selbstständig zu leben gewohnt ist und sich „lieber alles selber macht“ lernt da zähneknirschend, dass es auch anders geht! Man kann in diesem Fall aber auch sehr gut das Delegieren üben (ohnehin eine ordentliche Schwäche von mir). So wurde meine liebe Tochter gleich mal zum Küchendienst vergattert. Während ich sie im Rollstuhl sitzend Vokabel abgeprüft habe, hat sie das Abendessen fabriziert. Und wenn das auch wirklich prima funktioniert hat, musste ich mir nach den ersten Wochen doch stöhnend sagen lassen: „Mama, du brauchst nicht glauben, dass nur du arm bist. Ich bin auch arm, zum Beispiel, weil ich jetzt immer kochen muss.“ Oha! Sollte ich hier erzieherisch ein bisserl versagt haben? Ist es heutzutage wirklich zu viel verlangt, dass sich junge Mädchen mit 14 Jahren in der Küche nützlich machen? Naja, … hier haben sich eben nicht nur für mich neue Erkenntnisse und Lernaufgaben aufgetan!

In Sachen Effizienz habe ich (notgedrungen) auch einen Zahn zugelegt und so manches Interview ließ sich ganz wunderbar auch telefonisch führen, andere habe ich zum Kaffeeplausch eingeladen, was auch sehr nett war und künftig öfter mal vorkommen wird. Die Angst, meinen Druckabgabetermin diesmal nicht einzuhalten, saß mir vom Operationstisch an so massiv im Nacken, dass ich erstmals zwei Tage früher als nötig fertig war.

Auch meinem jahrelangen Wunsch, mehr gesunden Nachtschlaf zu bekommen und dafür morgens früher aus den Federn zu hüpfen, bin ich greifbar näher gerückt. Wenn mein Fuß abends vor lauter Erschöpfung unangenehm angeschwollen war, gab es im kühlen Schlafzimmer in waagrechter Haltung richtig Erleichterung. Das, die allgemeine Erschöpfung und der Nachhall des Schocks haben mich früh ins Schlafgemach getrieben und nach ein paar Seiten in einem guten Buch fiel ich weit vor Mitternacht in tiefen Schlaf, sodass ich manchmal schon um fünf Uhr Früh ausgeschlafen aus den Federn gehumpelt bin.

 

Dankbar macht glücklich

Natürlich hätte ich auf den Junghund (der mir die ersten Tage nur mit angelegten Ohren begegnete) sauer sein können und in erster Linie auf mich selbst, weil ich nicht konzentriert war. Ich hätte sechs Wochen lang mit meinem Schicksal hadern können und mir selbst sehr leid tun können (was ich natürlich schon dann und wann ordentlich ausgekostet habe). Im Großen und Ganzen aber war ich dankbar, dass ich mir nur den Fuß verletzt hatte, dass ich so schnell operiert werden konnte, diese Operation auch so gut verlaufen war und man mich dabei voller Rücksicht und Verständnis liebevollst durch meine Angst begleitet hatte. Ich war dankbar, dass mein Mann gleich an eine rechtzeitige Terminreservierung bei der ausgebuchten Physiotherapeutin im Nachbarort gedacht hatte, sodass ich schon zwei Tage nach Gipsabnahme mit den ersten Übungen beginnen konnte. Dankbar, dass alles so schnell, gut und ohne jeglicher Probleme verheilt ist und ich schon wenige Tage nachdem der Gips abgenommen wurde, oft nur mehr eine Krücke zuhilfe nehmen musste.

Und wenn ich diese Wochen Revue passieren lasse, bemerke ich, dass ich viel weniger zu matschkern und hadern hatte, als in so manchen stressigen Zeiten. Natürlich ging alles viel langsamer als sonst, aber auch das hat ein Aha-Erlebnis mich sich gebracht: Denn eigentlich habe ich alles erledigt, nichts musste verschoben oder abgesagt werden, alles hat prima geklappt.

 

spency

 

Vieles wird bleiben

Mittlerweile sind bald zwei Monate vergangen und ich kann Spencer schon wieder ohne Krücken auf kleinen Ausflügen begleiten. Langsam kehrt wieder Normalität in unser aller Leben ein und bis ins Neue Jahr werde ich mich wohl auch wieder normal bewegen können. Dennoch werde ich einige Erfahrungen in mein „Leben danach“ mitnehmen. Ich freu mich drauf!