Auch Katharina Reckendorfer erging es so. Die Karenzzeit sprengt Frauen ja förmlich von einem auf den andern Tag aus ihrem 9-to-5-Joballtag hinaus in ein richtiges Baby-Vakuum. Sie macht aus Businessfrauen quasi über Nacht Mütter, und legt damit automatisch auch einen völlig neuen Fokus. Wow! Und jetzt? Bin ich überhaupt noch die, die ich vorher war?

Meist sind es aber mehrere schicksalshafte Ereignisse, die da zusammen für den Schubs zum Spurwechsel sorgen. Bei Katharina war’s die New Yorker Freundin, die ihr einen wunderschönen Bildband über Flowerfarming schenkte. Der säte im wahrsten Sinne des Wortes die Samen auf fruchtbaren Boden bei der gelernten Grafikdesignerin und Fotografin, die daraufhin begann, im eigenen Garten erste Flowerfarming-Versuche zu starten. „Bei uns gibt es so viele Felder, warum sollte es da nicht auch Blumenfelder geben?“, fragte sich Katharina, die ursprünglich aus einer Landwirtschaftsfamilie stammt und nun den – anfangs noch leisen – Ruf back to the roots vernahm.

Es war ein arbeitsreicher Herbst 2017, in dem Katharina zusammen mit einer Kollegin und vielen helfenden Händen aus Familie und Freunden auf ihrem Feld 5.000 Tulpenzwiebel unterschiedlichster Sorten ausbrachte. Der Plan: Im nächsten Frühling würden dann die Tulpenköpfchen nach einem ausgefeilten Zeitplan der Reihe nach ihre Blüten entfalten. Doch der Frühling 2018 zeigte sich dann nicht ganz so kooperativ: Mit einem Schlag wurden aus Nächten mit Minusgraden plötzlich Tage mit sommerlichen 26 Grad und die Tulpenzwiebel explodierten. Und zwar alle gleichzeitig!

„Da hatten wir unglaubliche 3.000 wunderschöne Tulpen und wussten erst mal nicht, wohin damit“, kichert die Frohnatur Katharina bei der Erinnerung an diesen fulminanten Start.

Klein-Linda, damals grade mal zweieinhalb, machte die Situation auch nicht grade einfacher. „Glücklicherweise hatte ich mit meiner Freundin zusammen diesen Start hingelegt. Sie hat dann tatkräftig mitgeholfen, auch als wir am Wiener Karmelitermarkt unsere Weinviertler Tulpensträuße verkauften.“ Eine richtig gute Idee übrigens, um auch gleich Feedback von der Kundschaft einzuholen: Wie kommen die Blumen, frisch vom Feld, regional und nicht aus Holland, an? Die Begeisterung der Blumenkunden fachte die Leidenschaft bei Katharina Reckendorfer nur noch weiter an. Ein fettes Ja entstand – trotz der überraschenden Tulpeninvasion – in ihrem Herzen und auch als die Freundin sich aus dem gemeinsamen Projekt zurückzog, war klar: „Blumenbund“ darf bleiben, wachsen und gedeihen!

Blumenbund im Flow

Die anfängliche Idee, für Hotels, Arztpraxen und Anwaltskanzleien regelmäßig hübsche Sträuße zu liefern, erwies sich nicht so sehr als der Renner. Hingegen wurde Katharina von Privatkundschaft schlichtweg überrannt. Das ist übrigens bis heute so geblieben: Für ihre Blumenabos gibt es Wartelisten! Besonders etabliert haben sich neben einigen regelmäßigen Gastronomiekunden Events wie private Feste und Hochzeiten. Da werden nicht nur hübsche Sträuße und Gebinde verlangt, sondern oft liefert Katharina die Blumen und Füllmaterialien kübelweise in gewünschter Farbkombination, weil viele Hochzeiten im neuen naturnahen Stil von den Sozialen Medien inspiriert gerne selbst dekorieren. „Oft werden da in der Familie monatelang besondere Joghurts gegessen, um die Gläser für die Deko zu sammeln“, lacht die Blumenbund-Chefin, die sogar für die besonders Vorausschauenden bereits die passenden Blüten in der gewünschten Farbe anbaut.

Wie so oft, wenn eine gute Idee Fahrt aufnimmt, entsteht der rechte Flow und eine Lösung nach der anderen kommt fast von allein. So wie die Fahrradbotinnen, die die Blumenabos für Katharina Reckendorfer in Wien ausführen. Auf Anhieb hat da die Chemie gestimmt und das die nachhaltigen Bio-Blumen per pedes angeliefert werden, ist einfach besonders stimmig!

Slowflower

Die Idee, schöne Blumen ganz Bio auf Feldern in der Region anzubauen, also eben Flowerfarming zu betreiben, hat schon auf der ganzen Welt Anhängerschaft gefunden. Regional, saisonal, nachhaltig und frei von Pestiziden und Giften ist die Devise der Mitglieder. Auch Katharina Reckendorfer ist Teil dieser Bewegung, in der sie gleichzeitig ein Netzwerk an Gleichgesinnten für den wertvollen Erfahrungsaustausch findet.

Ausgetauscht werden da mitunter auch Schnittblumen, denn – wie die Blumenfreundin mit den Jahren erfahren musste – nicht alles gedeiht überall gleich gut! „Bei meiner Kollegin werden Hortensien gleich mal doppelt so groß wie bei mir, anderes – wie etwa Levkojen – gedeiht im Weinviertel einfach nicht so richtig“, hat sie gelernt und freut sich deshalb besonders über die gute Zusammenarbeit mit anderen Blumenfarmerinnen, mit denen sie sogar schon gemeinsame Workshops verantaltet, bei denen Interessierte etwa das Binden von wunderschönen Kränzen erlernen konnten. Weitere gemeinsame Projekte sind geplant.
Denn neben der Aussaat und Aufzucht von den schönsten Schnittblumen in den schillernsten Farben, sieht Katharina auch eine Art Bildungsauftrag in ihrem Tun. Auf ihrer Instagram-Seite können ihre Follower das ganze Jahr über das blumenbunde Treiben verfolgen und dabei tatsächlich viel über die Natur, Bodenqualität, Wetter und natürlich über Blumen erfahren. Und Katharinas Leitspruch mitbekommen: Bei aller Mühe – Mutter Natur bleibt die Ober-Chefin!

better together

Auch wenn die Blumenbund-Farm Katharinas Business-Baby ist, wäre es ohne der tatkräftigen Unterstützung der Familie wohl nicht so erfolgreich. Neben Ehemann Martin, für den keine noch so „interessante“ Idee seiner Katharina unmachbar ist, sind sowohl ihre Eltern, als auch Bruder Georg, der die elterliche Landwirtschaft übernommen hat, stets mit helfenden Händen zur Stelle, wenn Not am Team ist. Im Rahmen der landwirtschaftlichen Gebäude hat Katharina auch den passenden Raum gefunden, um ihre Blumen zu lagern, zu Sträußen zu formen und für den Versand fertig zu machen.

Für uns ist Katharina Reckendorfer eine Unternehmerin der Neuen Zeit. Völlig unkompliziert empfängt sie uns in ihrem entzückenden Privathaus, kredenzt uns Kakao und Gugelhupf und plaudert ganz locker aus ihrem kunterbunten Nähkästchen. Dass ihre Blumensaison spätestens im Oktober endet und erst wieder mit den ersten Tulpen im Frühling startet, macht ihr gar nichts aus. Im Gegenteil – dann bleibt Zeit für Zukunftpläne, Weiterbildung und natürlich auch, um neue Kraft zu schöpfen. Denn auch wenn es vielleicht sehr romantisch klingt, sein Berufsleben auf bunt-blühenden Feldern zu verbringen – 5.000 Blumenzwiebel zu setzen ist kein wirkliches Honiglecken. Die Ernte dafür umso mehr! ♥


Artikel erschienen in Wein4tlerin 04/21 | Fotos: Katharina Reckendorfer