Kürzlich stach mir rund um den (mittlerweile ja schon umstrittenen) Muttertag eine virtuelle Diskussion ins Auge. Oder vielmehr ins Herz …

Es ging angesichts besagten Muttertags darum, dass eine Mutter ihren Kindern untersagt, sie – später mal, vielleicht schwach oder gar krank – zu pflegen. Begründung: Weil Kinder schließlich nicht darum gebeten hatten, geboren zu werden und ihr eigenes Leben unbeschwert und unbelastet genießen sollen und sich nicht aus Dankbarkeit verpflichtet fühlen sollen, sich um besagte Mutter zu kümmern.

Nun, Leserinnen und Leser meines Buches können sich vermutlich vorstellen, dass dieser Post einen Nerv bei mir getroffen hat. Zum einen habe ich mich gar nicht aus Dankbarkeit um meine kranke Mutter gesorgt und gekümmert. Es war für mich ebenso selbstverständlich, wie meine Kinder, meinen Mann oder meine Freunde zu umsorgen, wenn Hilfe nötig ist. Oder hilfreich zu der Frau zu eilen, die am Hauptplatz gestolpert und der Länge nach hingefallen ist. Oder die sehbehinderte Nachbarin spontan zum Zahnarzt zu fahren, weil ihr Mann im Krankenhaus ist und das Auto der Freundin den Geist aufgegeben hat. Oder aber auch das angefahrene Rebhuhn von der stark befahrenen Straße in den Straßengraben zu tragen, damit es in seinem unvermeidlichen Todeskampf nicht noch von einem weiteren Auto überfahren wird. Das entspricht einfach meinen persönlichen Werten.

Natürlich gibt es jetzt noch reichlich Unterschiede zwischen einem verletzten Rebhuhn und meiner kranken Mutter. Familie ist für mich der kleinste gemeinsame Nenner einer Gemeinschaft, in der man füreinander da ist, füreinander sorgt und sich umeinander kümmert. Und auch das hat für mich nichts mit Dankbarkeit zu tun, sondern vielmehr mit sozialer Kompetenz.

Mal ganz davon abgesehen, dass ich persönlich keinen besonderen Genuss in meinem Leben verspürt hätte, wenn ich mich um meine Mutter nicht selbst gekümmert hätte. Sie war schwer krank und das hat mich traurig gemacht und sehr belastet. Nach Spaß war mir da ganz und gar nicht, ich kenne auch niemanden, der in einer ähnlichen Lebenssituation ein genüssliches Leben führen hätte können. Ich fände es ehrlich gesagt sogar ziemlich bedenklich, wenn meine Kinder ihr Leben „sorglos genießen“ könnten, während ich mit dem Tod ringe. Die Gefahr besteht allerdings nicht, denn auch sie sind sehr soziale Wesen und um ihr engeres und weiteres Umfeld besorgt, wenn es Probleme gibt.

Dankbarkeit hat sich bei mir übrigens in den Wochen der Begleitung meiner Mutter eigentlich erst ganz am Ende ihres Lebenswegs eingestellt, als ich beginnen musste, langsam Abschied zu nehmen. Als die Erlebnisse der langen gemeinsamen Jahre vor meinem geistigen Auge vorüberzogen und ich mich an die vielen schönen Momente erinnerte. Als ich erkannte, wie sehr meine Mutter bemüht war, uns ein gutes Leben zu ermöglichen, die Familie zusammenzuhalten und dabei durchaus Entbehrungen in Kauf genommen hatte.

Und ich war und bin heute sehr dankbar dafür, dass ich mit ihr diese letzten Wochen und Monate in inniger Zweisamkeit verbringen, einige unvergessliche Erfahrungen  machen und unser Leben noch einmal mit ganz besonderen Erlebnissen füllen konnte …

Hier geht’s zur den Begleiterscheinungen dieser Zeit …