So viele Jahre bin ich nun schon neugierig im Weinviertel unterwegs. Dass es in Pernersdorf (NÖ) ein großes Hotel gibt, habe ich aber erst vor kurzem erfahren. Als ich nämlich die Hausherrin, Eva Raymund, besuchte. Vom Hotel habe ich nur einen Blick auf die zahlreichen ebenerdigen Räumlichkeiten erhascht, denn zurzeit herrscht hier kein Gastronomiebetrieb, sondern Obdach für dreißig Flüchtlinge aus der Ukraine.

Helfen aus Überzeugung

Die Hilfsbereitschaft ist der zierlichen Blondine mit den großen blauen Augen und dem offenen Blick vielleicht nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden. Ein großes Thema ist es für sie aber allemal. Nicht zuletzt deshalb, weil sie selbst in einer Lebenskrise so dringend Hilfe benötigt hätte und doch nur an verschlossene Türe gestoßen war.

Vor einigen Jahren nämlich kam es durch einen unglücklichen finanziellen Engpass zu einem nicht mehr abwendbaren Konkursantrag durch die Gebietskrankenkasse. Wohlgemerkt wegen eines Betrags in der Höhe von etwas über 5.000 Euro. „Das ganze Verfahren hat dann 22.000 Euro gekostet“, bemerkt sie heute noch kopfschüttelnd. Auch wenn diese Unannehmlichkeiten längst Schnee von gestern sind, die zielstrebige Weinviertlerin längst auch die letzte Rate bis auf den Cent beglichen hat, bleibt immer noch die Fassungslosigkeit darüber, wie allein man in einer solchen Situation als Mensch sein kann. Und das kann und will die zweifache Mutter nicht einfach so hinnehmen.

Foto: Dominik Pfau

Lernaufgabe: Fokus auf mich

Grade für extrovertierte Menschen wie Eva Raymund, die viel und gerne Anteil am Geschehen im Außen nehmen, viel geben und sich viel kümmern, kamen die Bücher von Hermann Scherer zur rechten Zeit. Sie hat sie in ihrer Krise nicht nur förmlich verschlungen, sondern später gleich auch bei dem Erfolgsautor und Vortragsredner einen Workshop gebucht. Hier lernte sie den Fokus auf sich selbst, ihre Wünsche und Ziele zu legen und vor allem, diese auch fokussiert zu formulieren: direkt auf den Punkt gebracht, statt um den heißen Brei herumgeredet.

Und genau das hat die toughe Gastronomin hier wohl wirklich zur Perfektion gelernt, denn beim 9. Internationalen Speaker Slam im März 2022 konnte sie einen beachtlichen Erfolg erzielen. 96 Teilnehmer/-innen aus zehn Nationen hatten auf zwei verschiedenen Bühnen vor Publikum und einer Expertenjury Gelegenheit zu slammen. Jeder Teilnehmer hatte nur vier Minuten Zeit, seinen Beitrag vorzutragen, danach wurde das Mikrofon abgeschaltet. Eva Raymund begeisterte mit ihrem authentisch vorgetragenen Herzensthema Krisenbewältigung unter dem Motto: „Eine Insolvenz muss man sich erst einmal leisten können. Wer kann mir helfen und wie, wenn man in einer Lebenskrise steckt“. Großartiger Neben-Effekt dieses Erfolgs beim Speaker Slam: Eva Raymund hat bereits einige Engagements als Speakerin erhalten!

Foto: Dominik Pfau

Eva Raymund: Zukunftsthema Krise

Das Thema Krise und ihre Bewältigung, die Frage, wer Menschen in der Krise tatsächlich tatkräftig begleiten kann, wer eine hilfreiche Hand reicht, tröstet und unterstützt, damit sich der Mensch in der Not nicht alleingelassen fühlt, sondern Kraft schöpfen kann, um sich wie „Phoenix aus der Asche“ zu erheben, gestärkt vom Überleben und voll neuer Kraft einen guten Weg beschreiten kann – das sind die Herzensthemen, die Eva Raymund bewegen und antreiben.

In Kürze wird ihr erstes Buch zu diesem Thema erscheinen, gleichzeitig ist die Speakerin intensiv damit befasst, Expertinnen und Experten rund um Krisenbewältigung für einen Runden Tisch zu finden. Hier sollen die wichtigen Krisenthemen erörtert werden: Wo finde ich Hilfe, wer kann Unterstützung geben, wer hat hilfreiche Wegweiser und Tipps zur Hand, wenn Not entsteht. „Ich kann und will einfach nicht glauben, dass Menschen in unserem wohlhabenden Land wegen ein paar Tausend Euro so an den Abgrund gedrängt werden, und sich hier niemand zuständig fühlt, Unterstützung zu geben, wenn diese nötig ist“, sagt die Widderfrau im Brustton der Überzeugung.

Auf unterschiedlichen Wegen wird sie nicht müde werden, die Gesellschaft auf diese misslichen Situationen aufmerksam zu machen – egal, ob Lebenskrisen nun aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen entstehen. Ihr Herzensanliegen ist es, dass wieder mehr Menschlichkeit, mehr Miteinander und mehr Verantwortungsgefühl entsteht. Dass nicht weggeschaut wird, so wie sie das in ihrer Krise erlebt hat, sondern dass Anteil genommen wird und Hilfe geboten wird.

Ein so dringliches Anliegen ist ihr das, dass sie sich vor großem Publikum erstmals im Leben ins Scheinwerferlicht einer großen Bühne stellte und sie dies auch immer wieder tun würde, um die Aufmerksamkeit auf die Wunden unserer Gesellschaft zu lenken. Dazu ist die Alleinerzieherin übrigens auch stets selbst bereit Hilfe zu leisten. Bevor sie ihr Hotel für die Familien aus der Ukraine öffnete, hatte sie die Idee, einige Zimmer für Obdachlose zur Verfügung zu stellen, sie bei der Jobsuche und einem Weg zurück in ein geordnetes Leben zu unterstützen.

Denn Eva Raymund weiß, dass es für ein zufriedenes Leben nicht viel braucht und dass es immer einen Weg aus der Krise gibt. Vielleicht sogar einen, der die Chance für ein noch besseres, bunteres und aufregenderes Leben bietet, wenn man den Fokus auf seine Wünsche und Ziele hält. Sie macht es schließlich vor!